Als primärer Endpunkt wurde das progressionsfreie Überleben (PFS) erfasst. Zusätzlich zu den BRCA1/2-Mutationen wurden die Patientinnen anhand eines zuvor etablierten Biomarker-Panels in einen BRCA-like-Phänotyp subklassifiziert. Dieser BRCA-like Phänotyp wurde bei Vorliegen mindestens einer der folgenden Merkmale verwendet: I) Erhöhte genomische Instabilität (Wert für GI\(\geq\)42); II) somatische Mutation in BRCA1/2; III) Keimbahnmutation in HR-assoziierten Genen (ATM, ATR, BABAM1, BAP1, BARD1, BLM, BRCA1, BRCA2 [FANCD1], BRIP1 [FANCJ], BRCC3, BRE, CHEK1, CHEK2, ERCC1, ERCC4 [FANCQ], FAM175A [Abraxas], FANCA, FANCB, FANCC, FANCD2, FANCE, FANCF, FANCG [XRCCC9], FANCI, FANCL, FAMCM, GEN1, MRE11A, NBN, PALB2 [FANCO], RAD50, RAD51C [FANCO], RAD51D, RBBP8 [CtIP], SLX4 [FANCP], UIMC1 [RAP80], XRCC2, TP53, PTEN, PI3KCA) und IV) Methylierung des BRCA1-Promoters.
Die häufigste therapieassoziierte Nebenwirkung von Grad 3 oder höher war eine Myelotoxizität, welche häufiger unter Cisplatin plus Veliparib auftrat als unter Cisplatin plus Placebo. Schwere therapieassoziierte Nebenwirkungen traten bei 31 % der Patienten unter Cisplatin plus Veliparib auf und bei 36 % der Patienten unter Cisplatin plus Placebo. In beiden Therapiearmen gab es einen therapieassoziierten Todesfall.
Kommentar
Dies ist die erste Studie, die einen positiven Effekt der PARP-Inhibition in Kombination mit platinhaltiger Chemotherapie für Brustkrebs mit einem BRCA-like-Phänotyp für das PFS zeigt. Bisherige Studien in diesem Kontext fokussierten sich auf Patientinnen mit einer
BRCA1/2-Keimbahnmutation und konnten einen Vorteil durch PARP-Inhibition für dieses Kollektiv zeigen. Erstaunlicherweise zeigte die S1416-Studie in dieser Gruppe keinen signifikanten Effekt. Dies könnte an der geringen Anzahl von 37 Patientinnen in diesem Arm liegen. Somit bleiben die Ergebnisse für
BRCA-Mutations-Trägerinnen hinter den bisherigen Daten von Han et al. aus 2018 und Dieras et al. aus 2020 zurück. In diesen Arbeiten wurden allerdings Carboplatin und Paclitaxel mit PARP-Inhibition kombiniert. In einer Phase-II-Studie bei Patientinnen mit einem metastasierten/rezidivierten Brustkrebs und
BRCA-Keimbahnmutation berichteten Han et al. einen signifikanten Vorteil für die Gesamtansprechrate und einen positiven Trend für das Gesamtüberleben (OS) und PFS für Veliparib in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel, verglichen mit Carboplatin und Paclitaxel allein [
6]. Die BROCADE3-Phase-III-Studie zeigte bei fortgeschrittenem Brustkrebs mit
BRCA-Keimbahnmutation eine Verlängerung des PFS für die Kombination Veliparib mit Carboplatin und Paclitaxel gegenüber Carboplatin und Paclitaxel. Es zeigte sich, dass das mediane PFS 14,5 Monate in der Veliparibgruppe gegenüber 12,6 Monaten in der Kontrollgruppe betrug (Hazard Ratio 0,71 [95 %-KI 0,57–0,88];
p = 0,0016) und keine deutlich erhöhten Nebenwirkungen in der Kombination mit Veliparib bestanden [
7]. Bezüglich der PARP-Monotherapie gibt es ebenfalls überwiegend Daten für
BRCA-Keimbahnmutations-Trägerinnen. Hier zeigten die Studien sowohl einen Vorteil für das PFS als auch für das OS [
8‐
11]. 2020 veröffentlichten Tung et al. die Olaparib-Extended-Phase-II-Studie und zeigten ein Ansprechen auf eine Olaparibmonotherapie bei Brustkrebs mit einer somatischen
BRCA1/2-Mutation oder einer
PALB2-Keimbahnmutation. Bei einer somatischen
ATM- oder
CHEK2-Mutation allein wurde kein Ansprechen beobachtet [
11,
12].
Zusammenfassend zeigt sich eine heterogene Landschaft bezüglich der untersuchten Mutationen, wohl auch bedingt durch den Einsatz unterschiedlicher PARP-Inhibitoren und Kombinationspartner; dies bestätigt Beobachtungen bei anderen Tumorentitäten. Beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom schloss die PROpel-Studie Patienten unabhängig von ihrem HR-Status ein und zeigte in einer ersten Analyse die Verlängerung des PFS durch Olaparib in Kombination mit Abirateron und Prednisolon verglichen mit Abirateron und Prednisolon. Diskutiert wird eine Verringerung der HR-Kapazität durch den Kombinationspartner Abirateron und somit eine Wirksamkeit der PARP-Inhibition unabhängig vom HR-Status [
13]. Auch die TOPARP-B-Studie konnte für die Olaparibmonotherapie eine Antitumoraktivität im metastasierten Prostatakarzinom, bei somatischer oder Keimbahnmutation in
BRCA1/2 oder bei Mutationen der HR-assoziierten Gene
ATM, PALB2, FANCA und
CHEK2 zeigen [
14]. Auch beim Ovarialkarzinom besteht eine Zulassung für den PARP-Inhibitor Niraparib unabhängig von molekularen Markern als Erhaltungstherapie nach einem Ansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie sowie die Zulassung für Olaparib für die selbige Situation neben der
BRCA1/2-Keimbahnmutation auch für eine somatische
BRCA1/2-Mutation.
Insgesamt sprechen die Daten weiterhin für die Relevanz des HR-Status für ein Ansprechen auf eine PARP-Inhibition. Da die Therapie im Allgemeinen gut toleriert wird und mit unterschiedlichsten Kombinationstherapien eingesetzt wurde, ist dies eine vielversprechende Option für das Mammakarzinom. Der „benefit“ jenseits der BRCA1/2-Keimbahnmutation sollte somit dringend weiter untersucht werden.
Interessant ist, dass in der S1416-Studie insbesondere für Patientinnen ein Vorteil gesehen wurde, die zuletzt keine vorhergehende Therapielinie hatten, also nicht unter der letzten Therapie refraktär/progredient waren. Dies zeigt Ähnlichkeit zu den Daten des Ovarialkarzinoms, bei dem die PARP-Inhibition platinresponsiver Tumoren ebenfalls effektiv ist. Dies weist auf die Wirksamkeit beider Therapeutika insbesondere in proliferierenden Tumoren hin.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der mögliche Einsatz von PARP-Inhibitoren als Radiosensitizer, wofür zahlreiche positive präklinische Daten vorliegen, beispielhaft dargestellt in [
15]. Durch die induzierten DNA-Schäden nach ionisierender Bestrahlung sind Zellen mit einem HRD in einer größeren Abhängigkeit durch die PARP-vermittelte DNA-Reparatur, sodass eine Verstärkung des Antitumoreffekts durch PARP-Inhibition zu erwarten ist. Die RADIOPARP-Phase-I-Studie zeigte hier immerhin schon eine gute Tolerabilität beim TNBC [
16].
Man sollte für das Design zukünftiger Studien jedoch noch stärker die Verwendung geeigneter Biomarker bedenken und die bestmögliche Auswahl des Patientinnenkollektivs berücksichtigen. Es ist sicherlich ein sinnvoller Ansatz, neben Keimbahnmutationen in
BRCA1 und
BRCA2 auch den HRD-Score in die Vorhersage eines Ansprechens auf PARP-Inhibitoren einzubeziehen. Dieser über die simple Analyse der beiden Gene hinausgehende Score berücksichtigt neben einzelnen Keimbahnmutationen in den
BRCA1/2-Genen auch den Verlust der Heterozygotie, die allelische Imbalance der Telomere und die Transitionen längerer Abschnitte von genomischer DNA, wobei jedes Merkmal für sich allein bereits als Marker einer genomischen Instabilität betrachtet werden kann [
17‐
24]. Dieser auch als 3‑Biomarker-Signatur bezeichnete Assay erlangte bereits die FDA-Zulassung für die Bestimmung des HRD, mit einem GI-Wert größer als 42 beim Ovarialkarzinom [
22]. Allerdings erfordert diese Diagnose, dass Tumorproben mit
„next generation sequencing“ analysiert werden, also einen Ansatz, der im klinischen Alltag möglicherweise nicht trivial durchführbar ist.
Darüber hinaus ist verwirrend, dass der Begriff HRD-Score in der Community sehr dehnbar ausgelegt wird und bei der Suche in PubMed zu aktuell 141 Publikationen führt, die nicht nur den wie oben beschriebenen HRD-Score benennen, sondern dessen individuelle Varianten. Diese müssten ebenfalls in Studien bezüglich ihres Aussagewerts überprüft werden. Einige Studien analysieren direkt die Funktionalität der HR hinsichtlich ihrer sichtbaren Aktivität und könnten dadurch nicht nur leichter durchführbar sein, sondern auch ein generelles Bild der HR widerspiegeln. Es wäre in diesem Zusammenhang noch stärker zu berücksichtigen, dass eine
BRCA1-Mutation nicht automatisch zu einem Verlust der Funktion führen muss. Zu den vielversprechenden Ansätzen der Funktionalität gehört der Nachweis von RAD51. RAD51 ist das Schlüsselprotein der HR, welches lokalisiert am DNA-Schaden akkumuliert und als sogenannter Reparaturfokus nachgewiesen werden kann. Die Bildung eines solchen Fokus wird als „read-out“ für eine funktionelle HR angesehen. Es zeigte sich, dass in BRCA-like-Tumoren kein RAD51 in Tumorgewebe der entsprechenden Patientinnen nachweisbar war und eine PARP-Inhibition für diese Tumoren vielversprechend sein könnte [
25,
26].
Katharina Hintelmann und Kerstin Borgmann, Hamburg
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