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Erschienen in: Arthroskopie 4/2023

Open Access 26.07.2023 | Arthroskopie | AGA-Studenten

Pseudoaneurysma nach Arthroskopie des oberen Sprunggelenks

verfasst von: Christoph Hellmund, Jeanette Henkelmann, Markus Doß, Pierre Hepp, Ralf Henkelmann

Erschienen in: Arthroskopie | Ausgabe 4/2023

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Zusammenfassung

Hintergrund

Die Arthroskopie des Sprunggelenks gehört aufgrund der Anatomie zu den komplizierteren arthroskopischen Eingriffen. Pseudoaneurysmata sind dabei seltene, aber potenziell gefährliche Komplikationen, von denen in der Literatur bisher nur 13 Fälle beschrieben sind.

Fall

Vorgestellt wird ein Patient mit Pseudoaneurysma der A. dorsalis pedis nach ventraler Osteophytenresektion. Der Befund wurde radiologisch bestätigt und mit einem autologen Saphena-Interponat versorgt. Der postoperative Verlauf gestaltete sich problemlos.

Schlussfolgerung

Vor einer Arthroskopie des Sprunggelenks sollte auf mögliche atypische Gefäßvarianten im Zugangsweg geachtet werden. Der Operateur sollte sich des seltenen Risikos möglicher Gefäßverletzungen sowie derer Diagnostik und Therapie bewusst sein.
Hinweise
Die originale Onlineversion dieses Artikels wurde aufgrund einer rückwirkenden Open Access-Stornierung geändert.
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Zu diesem Beitrag ist ein Erratum online unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s00142-023-00635-w zu finden.
Die Arthroskopie des Sprunggelenks gehört zu den Standardeingriffen in der Orthopädie und Unfallchirurgie, auch wenn deren Häufigkeit geringer ist als die Häufigkeit arthroskopischer Eingriffe am Knie- oder Schultergelenk. Seit den Anfängen durch Tagaki 1939 hat sich ein breites Spektrum an Indikationen für die Arthroskopie des Sprunggelenks entwickelt [10]. Auf Grund des konkav-konvexen Gelenkspalts und des kleinen Situs ist die Arthroskopie des Sprunggelenks jedoch schwieriger als die des Knies oder der Schulter [8]. So ist die Komplikationsrate von 9 % selbst bei versierten Operateuren höher als bei anderen Gelenken [1, 8]. Die häufigsten Komplikationen sind dabei Verletzungen der Hautnerven, speziell des N. peroneus superficialis [1].
Zur Minimierung der Komplikationsrate sollten nach den Empfehlungen von Ferkel et al. primär das anterolaterale und anteromediale Portal genutzt werden. Allerdings wird auch das von Ferkel et al. als riskant beschriebene anterozentrale Portal häufig verwendet [8]. Insgesamt entstehen bei Sprunggelenkarthroskopien in weniger als 1 % der Fälle vaskuläre Verletzungen [5, 6]. Mit 0,008 % ist die Entstehung eines Pseudoaneurysmas der A. dorsalis pedis zwar eine seltene, jedoch erhebliche Komplikation [2]. Bisher gibt es nur sehr wenige beschriebene Fälle [7]. Wir berichten von einem solchen Fall.

Anamnese

Ein ansonsten gesunder 39-jähriger Patient stellte sich in unserer Sprechstunde mit persistierenden Sprunggelenkbeschwerden vor. Bei initialem osteochondralem Knorpelschaden mit einer subchondralen Zyste des medialen Talus wurden bei dem Patienten 2020, also 17 Monate zuvor, eine Innenknöchelosteotomie und eine membranbasierte Knorpeltherapie durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Vorstellung bestanden weiterhin schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im OSG beim Heben des Fußes. Radiologisch konnte ein Osteophyt an der ventralen Tibiakante identifiziert werden (Abb. 1a, b).
Nach Aufklärung des Patienten wurde die Indikation zur Sprunggelenkarthroskopie zur Osteophytenresektion und gleichzeitigen Materialentfernung der Kleinfragmentschrauben am Innenknöchel gestellt.

Primäre Versorgung

Bei der Arthroskopie wurden das anteromediale und anterolaterale Portal genutzt. Der Osteophyt wurde mit einem Meißel und einem Shaver abgetragen und die Schrauben im Innenknöchel teilweise entfernt. Nach der Entlassung beklagte der Patient eine zunehmende ventrale Schwellung im Bereich des Sprunggelenks, welche initial für ein Serom gehalten wurde. Nach zweimaligem blutigen Punktat mit initial kurzzeitiger Besserung jedoch anschließend erneuter Schwellung und Beschwerden wurde eine MRT veranlasst, welche im Vergleich zu der MRT-Untersuchung von 2020 ein ausgeprägtes Hämatom zeigte (Abb. 1c–f).

Befund

In unserer Klinik präsentierte sich der Patient mit einer pulsatilen ca. 5 cm × 3 cm großen Schwellung über dem ventralen Sprunggelenk (Abb. 2a). Die Pulse der A. dorsalis pedis und der A. tibialis posterior waren tastbar und es konnten keine neurologischen oder motorischen Ausfälle festgestellt werden.
Die mehrphasige Kontrastmittel-CT zeigte ein teilweise thrombosiertes Pseudoaneurysma der A. dorsalis pedis (Abb. 2b, d).

Therapie und Verlauf

Es erfolgte eine gefäßchirurgische Resektion des Aneurysmas mit anschließender Rekonstruktion der A. dorsalis pedis mit einem autologen „reversed“ Interponat der V. saphena magna (Abb. 2c). Der postoperative Verlauf gestaltete sich problemlos, der Patient ist unter Dauertherapie von ASS 100 im Alltag nicht eingeschränkt.

Diskussion

Das Pseudoaneurysma der A. dorsalis pedis ist mit einer Prävalenz von 0,008 % eine seltene, aber erhebliche Komplikation der Sprunggelenksarthroskopie.
Bisher sind 13 ähnliche Fälle in der Literatur beschrieben [7], gehäuft nach Abtragung ventraler Osteophyten [6].
Ein Grund könnten anatomische Normvarianten der Lage der A. dorsalis pedis sein. So beschreiben Huber et al. eine Abweichung nach lateral in 5,5 % der Fälle und eine Abweichung nach medial in 3,5 % der Fälle [3]. Auch Son et al. berichten, dass die A. dorsalis pedis in 6,2 % der Fälle abseits ihres normalen Verlaufs in den eigentlich sicheren Fenstern der Standardportale verläuft [9]. Zudem liegen durchschnittlich nur 2,3 mm zwischen der A. dorsalis pedis und der vorderen Gelenkkapsel. Auch der extrakapsuläre Fettkörper ist weniger als 3 mm dick.
Es ist anzuregen, den Befund auf atypische Anlagevarianten der A. dorsalis pedis präoperativ zu überprüfen, z. B. durch Palpation oder Gefäßdetektion in der Gelenk-MRT. Bei Verdacht auf atypische Gefäßvarianten sollte eine weiterführende Gefäßdarstellung angeschlossen werden, z. B. mittels kontrastmittelgestützter CT oder MRT. Alternativ könnte der Operateur unmittelbar präoperativ eine Dopplersonographie durchführen und die Lage des Gefäßes markieren, wie bereits in der Literatur vorgeschlagen [9].
Postoperativ sollte besonders auf Symptome iatrogener Gefäßverletzungen, wie das Entstehen einer pulsatilen Gewebsschwellung, Rötung, Hämatome und Schmerzen geachtet werden, welche eine Indikation für eine zügige Gefäßdarstellung geben. Sowohl Kotwal als auch Mariani et al. zeigten, dass sich die Pseudoaneurysmata in den bisher bekannten Fällen teilweise schon nach weniger als einer Woche klinisch präsentierten [4, 5]. Die Intaktheit der arteriellen Wand könnte in Verdachtsfällen zum Ausschluss eines Pseudoaneurysmas beurteilt werden.
Zur operativen Versorgung des Pseudoaneurysmas werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten beschrieben: Aneurysmaexzision mit End-to-End-Anastomose, Aneurysmaexzision mit arterieller Rekonstruktion, Aneurysmaexzision mit Bypass-Graft, die Ligation der Arterie und Aneurysmaresektion mit autologem Veneninterponat [6]. Auch interventionelle Therapieverfahren sind in seltenen Fällen durchgeführt worden [7]. Wir haben uns aufgrund des Alters des Patienten und der präoperativen Befunde für ein autologes „reversed“ Veneninterponat der V. saphena magna entschieden.

Fazit für die Praxis

  • Das Pseudoaneurysma der A. dorsalis pedis nach Sprunggelenkarthroskopie stellt eine seltene, aber ernste Komplikation dar.
  • Zur Minimierung der Inzidenz sollte präoperativ auf atypische Verläufe der A. dorsalis pedis geachtet werden.
  • Nach ventralen Osteophytenresektionen sollte postoperativ auf klinische Hinweise möglicher Verletzungen der A. dorsalis pedis geachtet werden und ggf. eine weiterführende Diagnostik erfolgen.
  • Zur Versorgung des Pseudoaneurysmas stehen verschiedene operative und interventionelle Verfahren zur Verfügung.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Hellmund, J. Henkelmann, M. Doß, P. Hepp und R. Henkelmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.

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Literatur
2.
Zurück zum Zitat Fox JM, Messineo BL (1989) Vascular complication. Complications in arthroscopy, Bd. 19. Raven Press, New York Fox JM, Messineo BL (1989) Vascular complication. Complications in arthroscopy, Bd. 19. Raven Press, New York
3.
Zurück zum Zitat Huber JF (1993) Anatomy of the foot and ankle. Anat Foot 2:294–300 Huber JF (1993) Anatomy of the foot and ankle. Anat Foot 2:294–300
8.
Zurück zum Zitat Schneppenheim M, Philipps B, Schunck J, Jerosch J (2001) Komplikationen bei arthroskopischen Operationen am oberen Sprunggelenk. Arthroskopie 3(14):221–225CrossRef Schneppenheim M, Philipps B, Schunck J, Jerosch J (2001) Komplikationen bei arthroskopischen Operationen am oberen Sprunggelenk. Arthroskopie 3(14):221–225CrossRef
Metadaten
Titel
Pseudoaneurysma nach Arthroskopie des oberen Sprunggelenks
verfasst von
Christoph Hellmund
Jeanette Henkelmann
Markus Doß
Pierre Hepp
Ralf Henkelmann
Publikationsdatum
26.07.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Arthroskopie / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0933-7946
Elektronische ISSN: 1434-3924
DOI
https://doi.org/10.1007/s00142-023-00629-8

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