Hinführung
Einleitung
Methode
Rekrutierung und Einschlusskriterien
Stichprobe
Patient*innen
KJP
Instrumente
Barrieren zur Aufnahme einer Psychotherapie | M (SD) | M (SD) |
---|---|---|
Patient*innen | KJP | |
Angst vor öffentlicher Stigmatisierung | 3,5 (1,3) | 3,7 (0,8) |
1. Ich hatte Sorge, dass meine Mitschüler*innen, Mitstudierende oder Arbeitskolleg*innen davon erfahren könnten, dass ich eine Psychotherapie mache und schlecht über mich reden | 3,9 (1,7) | 4,0 (1,1) |
2. Ich hatte Sorge, dass Andere schlecht über mich denken, wenn ich eine Psychotherapie aufnehme | 3,8 (1,7) | 4,0 (1,0) |
3. Ich hatte Sorge, dass meine Mitschüler*innen, Mitstudierende oder Arbeitskolleg*innen davon erfahren könnten, dass ich eine Psychotherapie mache und sich nicht (mehr) mit mir verabreden | 2,9 (1,7) | 2,8 (1,2) |
4. Ich hatte Angst, dass Andere mich für verrückt halten, wenn sie erfahren, dass ich eine Psychotherapie mache | 3,5 (1,7) | 4,0 (1,1) |
5. Ich hatte Sorge, dass die Aufnahme einer Psychotherapie etwas Schlechtes über meine Eltern/Familie aussagt | 3,0 (1,7) | 3,5 (1,2) |
6. Ich dachte, die Aufnahme einer Psychotherapie hat negative Auswirkungen darauf, später eine Praktikums‑, Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu finden | 3,8 (1,8) | 3,7 (1,2) |
Angst vor psychotherapeutischem Setting | 3,2 (1,0) | 3,4 (0,7) |
7. Ich hatte Sorge, dass meine Probleme nicht vertraulich behandelt werden | 2,9 (1,8) | 2,7 (1,3) |
8. Ich dachte, ein/e Psychotherapeut*in kann meine Probleme nicht verstehen | 3,8 (1,5) | 3,5 (1,1) |
9. Ich habe schlechte Vorerfahrungen mit Psycholog*innen/Psychotherapeut*innen gemacht | 2,4 (1,7) | 3,9 (0,9) |
10. Ich hatte Angst, dass meine Probleme durch die Psychotherapie schlimmer werden würden | 2,8 (1,4) | 2,5 (1,2) |
11. Ich hatte Angst, dass der/die Psychotherapeut*in mich gegen meinen Willen in die Psychiatrie einweist | 3,3 (1,9) | 3,7 (1,2) |
12. Ich dachte, eine Psychotherapie würde mir nicht helfen | 3,6 (1,6) | 3,8 (1,2) |
13. Ich hatte Angst, dass der/die Psychotherapeut*in mich verurteilt/etwas Schlechts von mir denkt | 3,8 (1,7) | 3,6 (1,2) |
Problemleugnung | 4,3 (1,1) | 3,8 (0,9) |
14. Ich dachte, meine Probleme sind nicht schlimm genug für die Aufnahme einer Psychotherapie | 4,4 (1,5) | 4,2 (1,0) |
15. Ich dachte, ich würde mir die Probleme nur ausdenken | 4,3 (1,4) | 3,2 (1,3) |
16. Ich dachte, ich stelle mich nur an | 4,8 (1,3) | 4,1 (1,2) |
17. Ich hatte Sorge, anderen Menschen mit psychischen Problemen einen Therapieplatz wegzunehmen | 3,6 (2,0) | 3,8 (1,3) |
18. Ich konnte nicht einschätzen, ob ich Hilfe benötige | 4,3 (1,6) | 4,0 (1,1) |
Hilfesuchstigma | 4,2 (1,1) | 4,1 (0,8) |
19. Ich dachte, ich muss mit meinen Problemen alleine zurechtkommen | 4,9 (1,3) | 4,4 (1,1) |
20. Ich konnte mir nicht eingestehen, dass ich Hilfe brauche | 4,2 (1,5) | 4,0 (1,1) |
21. Ich wollte niemandem von meinen Problemen erzählen | 4,0 (1,5) | 4,0 (1,1) |
22. Ich dachte, Hilfe suchen ist ein Zeichen von persönlicher Schwäche | 3,6 (1,7) | 3,5 (1,2) |
23. Ich habe mich für meine Probleme geschämt | 4,5 (1,1) | 4,6 (0,9) |
24. Ich hatte Angst, einem Psychotherapeuten/einer Psychotherapeutin meine Probleme anzuvertrauen | 4,2 (1,4) | 4,0 (1,1) |
Datenauswertung
Ergebnisse
Barrieren und explorative Analyse des Gruppenvergleichs
Skala | Patient*innen (n = 61) | KJP (n = 80) | t | Df | p | d | ||
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M | SD | M | SD | |||||
Angst vor öffentlicher Stigmatisierung | 3,5 | 1,3 | 3,7 | 0,8 | −0,88 | 92,96 | 0,38 | – |
Angst vor psychotherapeutischem Setting | 3,2 | 1,0 | 3,4 | 0,7 | −1,03 | 103,82 | 0,31 | – |
Problemleugnung | 4,3 | 1,1 | 3,8 | 0,9 | 2,64 | 139 | 0,01 | 0,23 |
Hilfesuchstigma | 4,2 | 1,1 | 4,1 | 0,8 | 0,98 | 105,02 | 0,33 | – |
Faszilitatoren zur Inanspruchnahme einer Psychotherapie
Kategorie | Beispielzitate | Häufigkeit (in %) |
---|---|---|
Mehr Wissen/Aufklärung über Psychotherapie und psychische Störungen | „Informationen über den Ablauf einer Therapie“, „Aufklärung in der Schule über Symptome (psychischer Erkrankungen) und auch, wann und wie man sich an einen Therapeuten wenden kann“ | 33 |
Weniger strukturelle Barrieren | „Mehr Therapieplätze, kürzere Wartezeiten“, „Eine ‚echte‘ freie Psychotherapeut*innenwahl, ohne aufgrund von Mangel an PT-Plätzen, die nächstbeste Psychotherapeut*in nehmen zu ‚müssen‘.“, „Zeitproblem: wenn Schulen auch vormittags eher zur Zusammenarbeit bereit wären […]“ | 18 |
Mehr gesellschaftliche Akzeptanz | „Mehr Akzeptanz für psychische Erkrankungen“, „offenerer Umgang mit psychischen Problemen in der Gesellschaft“, „weniger Stigmatisierung (‚du bist verrückt‘)“ | 14 |
Unterstützung durch Andere | „Engagierte Eltern und Lehrer, Kinderärzte, die informieren und ermutigen“, „schnellere Empfehlung durch Erwachsene, wie z. B. Ärzte, Lehrer, Schulsozialarbeiter“, „mehr Unterstützung durch die Eltern – von den Eltern ernst genommen werden“ | 12 |
Niederschwelligkeit | „Leichtere Recherche von Therapeuten über das Internet“, „Möglichkeit der Kontaktanbahnung via Internet/Homepage“, „niedrigschwellige Beratung im jeweiligen ‚Pflichtsetting‘ (Schule, Ausbildung, Beruf)“, „bessere Vernetzung (von Schulen) mit psychosozialen Diensten, sodass Jugendliche etwas unabhängiger vom Engagement der Eltern sind“ | 10 |
Mehr Kontakt zu Anderen mit psychischen Problemen | „Austausch mit Gleichaltrigen, die Therapieerfahrung haben“, „positive Erfahrungsberichte von Gleichaltrigen und entsprechende Empfehlungen“ | 5 |
Besser psychologisch geschulte Ärzt*innen/Lehrkräfte | „Mehr Schulung von Lehrern und Lehrerinnen, Symptome [psychischer Störungen] wahrzunehmen“, „früheres Erkennen von psychischen Störungen, z. B. im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen“ | 2 |
Positive Vorerfahrungen mit Psychotherapie | „Bessere Erfahrungen bei Erstkontakten mit Psychotherapeuten“ | 2 |
Keine Barrieren | „Eigentlich sehe ich, dass die Bereitschaft, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, bei Jugendlichen von Jahr zu Jahr größer wird, die Hemmschwellen erfreulich niedrig geworden sind“ | 2 |
Sonstiges | „Weniger ausgeprägtes Störungsbild“, „eine realitätsnahe und neutralere Darstellung der Psychotherapie und generell der Psychologie in den Medien und Filmen“ | 2 |
Kategorie | Beispielzitate | Häufigkeit (in %) |
---|---|---|
Unterstützung durch Andere | „Eine Person, die mit mir den Termin macht. Also jemand, der sagt: ‚Komm, wir kümmern uns zusammen darum‘“, „von meinen Eltern ernst genommen zu werden“ | 25 |
Mehr Wissen/Aufklärung über Psychotherapie und psychische Störungen | „Mehr Aufklärung über den Inhalt und Ablauf einer Therapie“, „Aufklärung und Wissen über psychische Krankheiten (z. B. in der Schule)“, „zum Beispiel, wenn man die Thematik […] bereits früher (in der Mittelstufe) auch schon thematisiert“ | 22 |
Mehr gesellschaftliche Akzeptanz | „Mehr Normalität bzw. Akzeptanz von Psychotherapie in der Gesellschaft“ „wenn es kein Tabuthema wäre, also man offener drüber reden könnte“ | 14 |
Weniger strukturelle Barrieren | „Mehr verfügbare Therapieplätze“, „die Gewissheit, schnell einen Platz zu bekommen und nicht monatelang warten zu müssen“ | 11 |
Eingeständnis des Hilfebedarfs und mehr Selbstbewusstsein | „Ich hätte mir früher eingestehen sollen, dass ich Hilfe brauche, und dass es okay ist, sich diese zu nehmen“, „Vertrauen, anderen Menschen erzählen zu können, wie es mir geht; besser Schwäche zeigen zu können“ | 9 |
Keine Barrieren | „[Ich] habe sehr früh begonnen eigentlich“, „wahrscheinlich gar nichts“ | 6 |
Niederschwelligkeit | „Generell bessere Recherchemöglichkeiten, um Therapeut:innen zu finden“, „einen leichteren Weg, Therapeuten zu finden (v. a., da es z. B. für Menschen mit sozialen Ängsten total schwer ist, lauter Leute abzutelefonieren)“ | 5 |
Mehr Kontakt zu Anderen mit psychischen Problemen | „Erfahrungen von Personen, die bereits eine Behandlung gemacht haben“, „Ermutigung von Anderen mit ähnlichen Problemen, die mir versichern, dass die Therapie ihnen geholfen hat“ | 4 |
Sonstiges | „Ich habe vorbereitend für mein Studium ein Praktikum in einer Psychiatrie gemacht und war sehr geschockt über den Umgang mit Patienten. Zum einen hatte ich Angst davor, als Patient auf solche Therapeuten zu treffen. Zum anderen schlummerte in mir der Glaubenssatz, dass jemand, der das Ziel hat Psychologie zu studieren, nicht selbst in Therapie gehen könnte …“ | 4 |
Diskussion
Limitationen und Ausblick
Fazit für die Praxis
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Problemleugnung spielte bei Patient*innen eine stärkere Rolle, als von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen (KJP) angenommen, und sollte explizit bei Psychotherapieaufnahme exploriert werden.
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Aus Sicht der KJP spielt die Integration von Gatekeepern (z. B. Kinderärzt*innen und Lehrkräften) eine wichtige Rolle zum Abbau von Barrieren für das Hilfesuchverhalten bei vorliegenden psychischen Störungen.
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Jugendliche berichten von der Notwendigkeit an Interventionen zur Stärkung der Wahrnehmung und Akzeptanz von Hilfebedarf bei psychischen Störungen und des Selbstbewusstseins.
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Mehr Wissen und Aufklärung über Psychotherapie und psychische Störungen, weniger strukturelle Barrieren, mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung im Hilfesuchprozess werden von Patient*innen und KJP als notwendig erachtet.
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Die Weiterentwicklung von Interventionen zur Senkung von Barrieren zur Aufnahme einer Psychotherapie erfordern einen multi- und interdisziplinären Ansatz.
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(Weitere) Studien zur Dissemination von Interventionen sowie Faszilitatoren zur Implementierung von evidenzbasierten Interventionen sowie auch Nebenwirkungen werden benötigt.