Gefahr aus dem Wasser

In warmem Wasser fühlen sich auch viele Pathogene wohl. Der Klimawandel dürfte daher einigen Erregern in die Karten spielen. Dazu zählen Legionellen, Vibrionen und Cyanobakterien. Starkregen und Überschwemmungen spülen zudem vermehrt enterale Viren in heimische Gewässer. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Jetzt sieht man sie wieder recht häufig: Schilder, die vor toxischen Cyanobakterien in flachen, nährstoffreichen Gewässern warnen. Es könnten künftig noch viel mehr werden, wenn sich die Gewässer in den zunehmend heißeren Sommermonaten immer stärker erwärmen. Im aktuellen „Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit 2023“ versuchen Expertinnen und Experten des Robert-Koch-Instituts auch, die Folgen des Klimawandels auf sogenannte wasserbürtige Infektionen und Intoxikationen abzuschätzen. Neben Cyanobakterien sehen sie vor allem Probleme durch Legionellen in den Trinkwassersystemen sowie Vibrionen im Meerwasser. Zudem steigt mit der Unwettergefahr in einem wärmeren Klima auch das Risiko für Starkregenfälle und Überflutungen , die pathogene Mikroben in die Gewässer spülen. Und schließlich können höhere Wassertemperaturen dazu führen, dass sich neue Pathogene in unseren Gewässern breit machen. Wer auf der Suche nach Abkühlung in ein unbekanntes Gewässer springen will, sollte sich das künftig zweimal überlegen: Das Risiko, sich eine ernste Infektion zuzuziehen, bleibt zwar gering, einige Erreger haben es aber in sich und können für lebensbedrohliche Verläufe sorgen. Nicht Cholera-Vibrionen (NCV) in der Ostsee: Die Verwandtschaft des Cholera-Erregers Vibrio cholerae O1/O139, der in Europa noch nicht heimisch ist, bildet zwar keine Choleratoxine, kann aber zu gravierenden Wundinfektionen, Magen-Darm-Verstimmungen und bei Aspiration von kontaminiertem Wasser auch Lungenentzündungen führen. Solche NCV sind mäßig bis ausgeprägt salzliebend und ein normaler Bestandteil der Bakterienflora der Nord- und Ostsee sowie von leicht salzhaltigen Binnengewässern. NCV lieben besonders flache Gewässer, die sich bei Sonneneinstrahlung stark erhitzen und wenig durch Wind, Gezeiten oder andere Strömungen durchmischt werden. „Bei Wassertemperaturen von über 20 °C können sich NCV hier stark vermehren. An der Nordseeküste sind vor allem Strände an Flussmündungen aufgrund des dort reduzierten Salzgehaltes anfällig. An der Ostseeküste erfüllen zum Beispiel Boddengewässer im Sommer und Frühherbst viele Bedingungen für das Wachstum von NCV“, heißt es in dem Bericht. Prognosen für die NCV-Vermehrung liefert der „Vibrio map viewer“, ein Tool der europäischen Seuchenkontrollbehörde ECDC. Es zeigt vor allem im August regelmäßig eine extreme Belastung im Schwarzen Meer sowie eine mäßige vor dem Baltikum. Ein hohes Infektionsrisiko besteht vor allem beim Baden mit größeren Wunden, die Erreger können aber auch durch kleine Hautverletzungen in den Körper eindringen. Wundinfektionen sowie Magen-Darm-Befall führen im schlimmsten Fall zur Sepsis. Gefährdet für schwere Verläufe sind vor allem ältere Menschen, solche mit einer Immunschwäche und Vorerkrankungen wie Krebs, Diabetes sowie schweren Herz- und Leberkrankheiten; junge Menschen erkranken nur selten ernsthaft, Kinder entwickeln nicht selten Ohrinfektionen. Behandelt wird mit Antibiotika und Skalpell, reicht das nicht aus, notfalls per Amputation. In einer Studie mit 63 Erkrankungen aus Deutschland wurde das Gros der Fälle auf das Baden in der Ostsee in besonders warmen Sommern wie 2018 zurückgeführt. Die meisten der Betroffenen waren über 60 Jahre alt und holten sich die Erreger über Wundinfektionen. NCV-Infekte sind seit dem März 2020 meldepflichtig, im Jahr 2021 wurden dem RKI insgesamt 25 Erkrankungen aus Deutschland gemeldet, häufigster Erreger war Vibrio vulnificus, bei 18 Personen führte die Infektion zu einer Sepsis. Die RKI-Experten vermuten, dass NCV-Infekte in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Zum einen führen mehr Tage mit Wassertemperaturen über 20 °C zu einer stärkeren Vermehrung der Erreger, zum anderen verlängern wärmere Sommer die Badesaison und erhöhen damit auch das Kontaktrisiko. Schließlich wächst in der Bevölkerung der Anteil besonders vulnerabler älterer Menschen mit Begleiterkrankungen. Eine wirksame Gegenmaßnahme wäre zunächst Aufklärung: So sollten Menschen mit Wunden möglichst nicht in Risikogebieten baden gehen, durchs Wasser waten könnte hier eine Alternative sein. Leider sei noch immer die Fehlinformation verbreitet, dass Meerwasser Wunden desinfiziere, schreiben die Forschenden um Susann Dupke. Sie empfehlen zudem Strände, die zum Meer hin offen sind, statt schlecht durchmischter und brackiger Boddengewässser. Schließlich müssten auch Ärztinnen und Ärzte sowie im Tourismus Beschäftigte in den Risikogebieten Wundinfekte rascher erkennen und entsprechend handeln. Legionellen durch warmes Trinkwasser: Die Legionärskrankheit tritt in Deutschland weit häufiger auf als NCV-Infekte, gemeldet werden dem RKI etwa 1500 Fälle pro Jahr, wobei eine Dunkelziffer von 15.000 bis 30.000 Erkrankungen im Jahr angenommen wird. Gefährdet sind auch hier primär ältere Menschen mit Begleiterkrankungen, vor allem Männer. Die größte Gefahr geht von einer Trinkwasserkontamination aus, wobei die Erreger über Aerosole eingeatmet werden müssen, um eine Pneumonie zu verursachen. Ausbrüche lassen sich daher häufig auf Verdunstungskühlanlagen und Whirlpools zurückführen. Klar zu erkennen bei ambulant erworbenen Erkrankungen ist die Saisonalität: Meist werden Legionellen-Infekte im Sommer oder Herbst beobachtet. Bei vielen Infektionen sind die genauen Verbreitungswege jedoch unklar. Vermutet wird, dass in den Sommermonaten eine erhöhte Basistemperatur beim Kaltwasser das Legionellenwachstum fördert. Eine weitere Erwärmung in den Sommermonaten könnte daher das Infektionsrisiko erhöhen. Zudem dürfte die Absenkung der Warmwassertemperatur auf unter 50 °C durch Energiesparmaßnahmen die Ausbreitung fördern. Allerdings ist die Legionellenkonzentration alleine nicht entscheidend, so gehen hohe Konzentrationen nicht in jedem Fall mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher, wichtig sind auch bestimmte Virulenzfaktoren. Studien legen zudem nahe, dass Legionellenausbrüche vermehrt bei feuchtwarmen Wetterlagen auftreten. „Es wird diskutiert, ob Regenwasser auf Straßen durch Befahren mit Autos zur Aerosolisierung von mit Legionellen kontaminiertem Pfützenwasser führt“, schreiben Dupke und Mitarbeitende. Dazu würde passen, dass man in einer japanischen Studie in Luftproben in der Nähe von befahrenen Straßen Legionellen-DNA gefunden hatte. Die DNA-Menge korrelierte dabei mit dem monatlichen Niederschlag. Kommt es durch den Klimawandel zu mehr feuchtwarmen Sommern, dürfte dies die Inzidenz von Legionellenerkrankungen weiter erhöhen – auf welche Weise, ist jedoch noch unklar. Die RKI-Experten raten daher zu mehr Forschung: Welche Temperaturen und Bedingungen fördern das Wachstum von Legionellen im Trinkwassersystem und in der Umwelt? Welche begünstigen virulente Stämme? Aus den Resultaten ließen sich dann Empfehlungen ableiten. Ein Rat ist immerhin jetzt schon hilfreich: Bei erhöhtem Risiko das Wasser vor Gebrauch kurz laufen lassen, um die Erreger aus der Leitung zu spülen. Blaualgenblüten in nährstoffreichen Gewässern: Die auch als Blaualgen bezeichneten photosynthetischen Cyanobakterien lieben warme Gewässer mit einem hohen Phosphor- und Stickstoffeintrag – dort können sie sich explosionsartig vermehren und dabei potente Toxine absondern. Vor allem im Süßwasser vorkommenden Vertreter wie Microcystis, Planktothrix, Aphanizomenon und Dolichospermum sind potenziell toxisch und bilden unter günstigen Bedingungen sogenannte Algenblüten, heißt es in dem RKI-Bericht. Die Toxinkonzentration im Gewässer hängt auch hier nicht allein von der Blaualgenbiomasse ab, sondern von der Prävalenz einzelner Toxin-produzierender Genotypen. Diese kann im Saisonverlauf stark variieren. Die Einzeller selbst verursachen keine Infektionen, ihre Toxine schädigen primär die Leber und das Nervensystem und müssen oral aufgenommen werden, über die Haut können sie nicht in ausreichender Menge eindringen. Beim Baden sind daher vor allem Kinder gefährdet, die beim Schwimmenlernen Wasser schlucken oder häufig die Hand in den Mund führen. Die größte Gefahr besteht jedoch, wenn Trinkwasser aus belasteten Gewässern gewonnen wird, ohne die Cyanotoxine gründlich zu entfernen. Die Toxine können sich zudem in Fischen aus solchen Gewässern anreichern. Durch den Klimawandel erhöhte Temperaturen fördern mitunter die Algenblüte, letztlich hängt deren Wachstum aber vom Nährstoffangebot ab, ein geringerer Eintrag von Phosphor und Stickstoff durch die Landwirtschaft kann das Problem reduzieren. Umgekehrt dürften Starkregenereignisse Nährstoffe aus landwirtschaftlichen Flächen vermehrt in Gewässer spülen und das Risiko für Blaualgenblüten erhöhen. Letztlich seien solche Prozesse aber recht komplex, in manchen Gewässer könnten höhere Temperaturen auch zu einer Senkung der Nährstoffmengen und damit zu einem geringeren Risiko von Algenblüten führen, geben die Forschenden vom RKI zu bedenken. Immerhin: Bislang sind Cyanotoxinvergiftungen aus Deutschland nicht bekannt. Virusinfekte in Überschwemmungsgebieten: Humanpathogene Noroviren, Rotaviren, Enteroviren sowie Hepatitis-A- und Hepatitis-E-Viren lassen sich in Deutschland dank Kanalisation und guter Hygienestandards kaum noch in gefährlichen Konzentrationen in Gewässern nachweisen. Da sich die Erreger in den Gewässern nicht vermehren können, spielt auch die Wassertemperatur für das Infektionsrisiko keine Rolle, allenfalls, wenn die Gewässer stark eintrocknen und damit die Konzentration der Viruskapside steigt. Der Klimawandel könnte die Infektionsgefahr aber durch vermehrte Extremwetterereignisse erhöhen, etwa dann, wenn sich nach langen Trockenphasen durch Stürme und durch Starkregen Wasser und Abwasser vermischen. In Überflutungsgebieten kommt es dann zu einem stark erhöhten Risiko wasserbürtiger Virusinfekte mit gastrointestinalen Erkrankungen. Überflutungen sorgen jedoch auch noch in anderer Hinsicht für Überraschungen: Höhere Temperaturen fördern die Verbreitung von Bakterien und Pilzen aus wärmeren Regionen, im Flutwasser können Menschen damit in Kontakt kommen. So werden nach Überflutungen in gemäßigten Klimazonen zunehmend Infektionen mit nichttuberkulösen Mykobakterien und Pilzen beobachtet, die eigentlich in wärmeren Regionen heimisch sind. Die Forschenden um Dupke fordern daher ein besseres Monitoring der Mikroorganismenpopulationen in heimischen Gewässern – nicht zuletzt nach starken Regenfällen und Überflutungen.

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