Mit höherer Diagnoserate die HIV-Epidemie beenden

Wirksame, verträgliche Medikamente alleine reichen nicht aus, um die Epidemie des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) in Deutschland zu beenden. Auch die HIV-Diagnoserate muss erhöht werden. Denn bisher wissen hierzulande nur circa 90 Prozent der Betroffenen, dass sie mit HIV infiziert sind [1]. Deshalb gilt es, Lösungen zu finden, die allen Menschen mit HIV in Deutschland einen frühestmöglichen Zugang zu einer Behandlung ermöglichen. Das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) hat sich als übergeordnetes Ziel gesetzt, die Verbreitung von HIV und Aids zu stoppen, die Behandlung und Betreuung der Menschen mit HIV zu verbessern und die gesellschaftlichen und persönlichen Folgen der Epidemie zu mildern [2]. So sollen der UNAIDS zufolge bis zum Jahr 2025 95 Prozent der Menschen mit HIV von ihrer Infektion wissen, 95 Prozent davon antiretroviral therapiert werden und davon wiederum bei 95 Prozent die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegen [3]. Diagnoserate von nur 90 Prozent Bei den beiden letztgenannten Zielen der UNAIDS liegt Deutschland bereits im Plan: Der Anteil der Menschen mit diagnostizierter HIV-Infektion, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, liegt hierzulande bei 96 Prozent [1]. Bei circa 96 Prozent der Behandelten verläuft diese Therapie erfolgreich, d.h. die Viruslast liegt unter der Nachweisgrenze (<50 Viruskopien/ml Blut) [1]. Mit Blick auf die angestrebte Diagnoserate von 95 Prozent hinkt Deutschland allerdings hinter den UNAIDS-Zielen hinterher: Hierzulande sind nur circa 90 Prozent der Betroffenen diagnostiziert [1] – d.h. etwa 8.600 Menschen in Deutschland haben eine HIV-Infektion, ohne davon zu wissen [1]. Entsprechend häufig gibt es Betroffene, deren HIV-Infektion erst spät entdeckt wird: Im Jahr 2021 entfielen circa 33 Prozent der HIV-Diagnosen auf Menschen, bei denen bereits ein fortgeschrittener Immundefekt vorlag und etwa 18 Prozent auf Personen mit dem Vollbild Aids [1]. Eine unerkannte HIV-Infektion ist ein Risiko für die Gesundheit der Betroffenen und für die Gesundheit anderer Menschen [1]. Eine frühe Diagnose und somit frühe Behandlung ermöglichen Menschen mit HIV die Chance auf eine nahezu normale Lebenserwartung mit guter Lebensqualität [4, 5]. Außerdem ist die Ansteckung anderer bei erfolgreicher Therapie, selbst bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, höchst unwahrscheinlich* [1]. Gemeinsam Lösungen entwickeln Eine hohe Diagnoserate kann also dazu beitragen, die HIV-Epidemie für alle Menschen zu beenden. Doch das gelinge nur gemeinsam, so Dr. Christian Macher, Geschäftsführer Gilead Sciences Deutschland. „Die UNAIDS-Ziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, betonte er. Die von Gilead Sciences gegründete Initiative HIVISION100 soll die UNAIDS-Ziele unterstützen: „Die Diagnoselücke zu schließen, damit HIV eines Tages Geschichte ist, ist das erklärte Ziel von HIVISION100. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, hat ein interdisziplinäres Gremium von Expertinnen und Experten aus Medizin, Apotheke, Beratung und Community gemeinsam mit Gilead Lösungsansätze (weiter-)entwickelt, um heute in Deutschland bestehende Hürden schnellstmöglich überwinden zu können“, erklärt Macher. Was verhindert höhere Diagnoseraten? „Um an benötigten Lösungsansätzen arbeiten zu können, müssen wir zuerst verstehen, was uns heute in Deutschland noch im Wege steht, um eine höhere Diagnoserate zu erreichen. Deshalb haben wir zu diesem Thema eine Umfrage durchgeführt und die Erfahrung und das Wissen von 125 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gebündelt.“, so Martin Flörkemeier, leitender Direktor für öffentliche Angelegenheiten, Gilead Sciences Deutschland. Die Online-Umfrage der Initiative HIVISION100, an der 125 Personen aus der Medizin, der Apotheke und der HIV-Community teilnahmen, deckte folgende Hürden auf, die einer Diagnoserate von 100 Prozent im Wege stehen. Es konnten unter anderem Hürden seitens der Bevölkerung gezeigt werden: mangelnde Aufklärung und fehlende Risikosensibilisierung Scham, Angst und Tabuisierung mangelnde Testbereitschaft Folgende strukturelle Hürden wurden berichtet: Mangel an kostenlosen und/oder anonymen Testangeboten weniger bzw. schlechter erreichbare Testangebote auf dem Land geringe Präsenz des Themas HIV/Aids in den Medien Außerdem wurden folgende Hürden in der Arztpraxis gefunden: Schwierigkeiten beim Erkennen von (frühen) HIV-Symptomen seltene Thematisierung von Risikoverhalten (z.B. wechselnde Sexualkontakte) im Arzt-Patientengespräch Gemeinsam das Ziel erreichen „In HIVISION100 wurden außerdem mit interdisziplinären Fachleuten Handlungsfelder zur Verbesserung der Diagnoserate herausgearbeitet. Diese sind im Ergebnisreport transparent festgehalten. Jetzt muss es gemeinsam weitergehen: Wir müssen die Hebel identifizieren, die die größte Wirkung haben und an der Umsetzung arbeiten“, so Macher. Weitere Informationen zur Initiative Die Initiative HIVISION100 hat mittels einer Online-Umfrage Gründe erhoben, weshalb aktuell in Deutschland keine höhere HIV-Diagnoserate erreicht wird. Darauf basierend wurden Handlungsfelder und Lösungsansätze zur Erhöhung der Diagnoserate erarbeitet. Der Ergebnisreport mit den Forderungen der Expertinnen und Experten für HIV inklusive Projektbeispielen aus der Praxis ist auf www.hivision100.de veröffentlicht. Drei Handlungsfelder zur Erhöhung der HIV-Diagnoserate Drei zentrale Handlungsfelder – Vernetzung, Vereinfachung und (Fort-)Bildung – könnten zur angestrebten Erhöhung der Diagnoserate des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) in Deutschland beitragen. Zusammen mit Expertinnen und Experten aus Medizin, Apotheke, Krankenkasse, Beratungseinrichtungen und der HIV-Community sowie unter fachlicher Beratung eines interdisziplinären Gremiums wurden im Rahmen der Initiative HIVISION100 drei zentrale Handlungsfelder zur Erhöhung der HIV-Diagnoserate in Deutschland identifiziert: Vernetzung, Vereinfachung und (Fort-)Bildung (s. Abb.). Springer Medizin Verlag GmbH × Vernetzung: Voneinander lernen Der Austausch von Wissen und Erfahrungen, um voneinander zu lernen, sind unerlässlich, um gemeinsam dem Ziel einer höheren HIV-Diagnoserate näher zu kommen. Damit sich alle, die einen Beitrag zum Ende der HIV-Epidemie leisten möchten, miteinander vernetzen können, bräuchte es eine für alle einfach zugängliche (digitale) Umgebung. HIV-Expertinnen und -Experten nutzen in ihrem Alltag bereits verschiedene Möglichkeiten des Austausches. Dieser Kontakt ist aber meist regional und/oder thematisch begrenzt. Um die zur Verfügung stehenden Ressourcen effizienter einsetzen zu können, müssten zusätzlich überregionale und interdisziplinäre Vernetzungsmöglichkeiten für alle Beteiligten geschaffen werden. Eine Lösung könnten digitale Optionen zur Vernetzung sein, da diese einfach und für alle zugänglich sind. Wichtig ist dabei: Die Vernetzung sollte auch für Ärztinnen und Ärzte, die nicht auf HIV oder Infektiologie spezialisiert sind, möglich sein. So können auch Nichtfachleute von den Spezialistinnen und Spezialisten lernen, Beratung in Anspruch nehmen und Berührungsängste abbauen. Vereinfachung: Zugang erleichtern Im Vergleich zu urbanen Gegenden und Metropolregionen gibt es in ländlichen Gebieten nur wenige gut erreichbare, niederschwellige Testangebote. Um die Diagnoserate zu erhöhen, muss der Testzugang für jeden möglichst einfach und niedrigschwellig sein. Teil der Lösung könnten mobile Testangebote sein. Diese könnten dazu beitragen, auch diejenigen zu erreichen, die sonst keinen direkten Zugang zu Testangeboten haben. Ein weiterer Weg, um die Hemmschwelle bei HIV-Testungen abzubauen, besteht darin, Tests zu sexuell übertragbaren Krankheiten fester im Beratungsalltag in Kliniken und Praxen zu integrieren. Dies könnte z.B. in Notaufnahmen von Ballungsräumen mit zu erwartender hoher HIV-Inzidenz sinnvoll sein. Durch die Integration von HIV in einen ganzheitlichen Kontext sexueller Gesundheit soll eine Normalisierung des Themas ermöglicht werden. Dadurch könnte sowohl die Bereitschaft des medizinischen Fachpersonals, einen HIV-Test anzubieten, als auch die Bereitschaft der Patientinnen und Patienten, einen Test in Anspruch zu nehmen, erhöht werden. Bildung: Destigmatisierung bewirken Um Stigmatisierung zu reduzieren und die HIV-Diagnoserate zu erhöhen, sind Aufklärung und Wissensvermittlung zum Thema HIV und sexuelle Gesundheit elementar. Neben dem Wissen um Übertragungsmöglichkeiten sollen auch weitere Aspekte vermittelt werden, etwa dass bei einer HIV-Last unter der Nachweisgrenze – aufgrund einer antiretroviralen Therapie – eine Ansteckung sehr unwahrscheinlich ist, auch bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr*. Das Wissen über wirksame Therapieoptionen kann wichtig sein, damit sich Menschen auf eine potenzielle HIV-Infektion testen lassen. Die Expertinnen und Experten der Initiative HIVISION100 fordern deshalb u.a. die feste Verankerung von HIV und Sexualanamnese in Studienlehrplänen und die individuelle Schulung von Menschen in körpernahen Berufen wie der Pflege. Davon versprechen sich die Expertinnen und Experten eine vorbeugende Wirkung gegenüber stigmatisierendem Verhalten, das bei körpernahen Tätigkeiten auftreten könnte. Außerdem ist eine destigmatisierende Aufklärung der Allgemeinbevölkerung wichtig. Dazu gehört eine verbesserte Sexualaufklärung in Schulen sowie Social-Media-Kampagnen, um insbesondere junge Menschen zu erreichen. * Eine erfolgreiche Therapie, durch die die Viruslast dauerhaft unter der Nachweisgrenze liegt, führt dazu, dass eine Übertragung von HIV auf sexuellem Weg nicht mehr möglich ist [1]. Die Höhe der Nachweisgrenze kann dabei abhängig vom eingesetzten Testverfahren variieren. Bei gängigen Nachweisverfahren liegt die Nachweisgrenze bei <50 Viruskopien/ml Blut. Dies entspricht den Therapiezielen der Deutsch-Österreichischen S2k-Leitlinie zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion [6]. Literatur an der Heiden M et al., Epid Bull 2022, 47:3–18 Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS), Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, https://www.bmz.de/de/service/lexikon/unaids-14412 (letzter Zugriff: 30.10.2023) 2025 Aids Targets, https://aidstargets2025.unaids.org (letzter Zugriff: 30.10.2023) Marcus JL et al., JAMA Netw Open 2020, 3:e207954 Infos zur HIV-Therapie: Ärzt_innen, Medikamente, Checks, https://www.aidshilfe.de/hiv-therapie (letzter Zugriff: 30.10.2023) Leitlinien für Diagnostik und Therapie der HIV-Infektion der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG), Deutsch-Österreichische Leitlinien, https://daignet.de/leitlinien-und-empfehlungen/hiv-leitlinien/ (letzter Zugriff: 30.10.2023) Impressum „Mit höherer Diagnoserate die HIV-Epidemie beenden“ Literaturarbeit Bericht: Monika Walter, München Artikel gedruckt in: Ärzte Zeitung Nr. 48, 30. November 2023 Mit freundlicher Unterstützung der Gilead Sciences GmbH, Martinsried bei München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Julia Guldan/Dr. Tobias Berenz Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Mit höherer Diagnoserate die HIV-Epidemie beenden

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