Reizdarm-Diagnostik: Einmal richtig ausfragen

Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms (RDS) wird in erster Linie anamnestisch gestellt. Eine ausufernde Ausschlussdiagnostik ist nicht angebracht, hieß es beim DGIM-Kongress. Für einen angemessenen diagnostischen Aufwand bei Menschen mit Verdacht auf ein Reizdarmsyndrom (RDS) haben Gastroenterologen beim Internistenkongress in Wiesbaden geworben. In erster Linie kann die Diagnose anamnestisch gestellt werden – das ist international Konsens. Eine umfangreiche Ausschlussdiagnostik ist nicht erforderlich und wird in vielen in europäischen Industrieländern auch gar nicht praktiziert. Professor Christian Sina, Ernährungsmediziner am Universitätsklinikum Lübeck, wies auf eine dänische Nichtunterlegenheitsstudie hin. Dort hatte man in einer Gruppe von Patienten mit RDS-Verdacht die Rom-Kriterien genutzt, um die Diagnose zu stellen und in der anderen Gruppe eine Ausschlussdiagnostik praktiziert (Laboruntersuchungen, Stuhluntersuchungen, Sigmoidoskopie mit Biopsie). Anschließend schaute man sich nach einem Jahr die Lebensqualität bei den insgesamt 302 Patienten an – es gab keinen relevanten Unterschied. Die rein anamnestische Diagnostik war demnach der Ausschlussdiagnostik nicht unterlegen. Lange Liste möglicher Differenzialdiagnosen Dennoch bestand in der Autorengruppe der deutschen S3-Leitlinie RDS großer Konsens, von der internationalen Definition des RDS ein Stück abzuweichen. Es müssen nicht nur chronische Beschwerden (>3 Monate) bestehen, die auf den Darm bezogen werden und „in der Regel“ mit Veränderungen des Stuhlgangs einhergehen. Die Lebensqualität muss „relevant beeinträchtigt“ sein und es sollen „keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, die wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.“ Realistischerweise könne das aber nicht bedeuten, so Sina, dass differenzialdiagnostisch sehr lange Listen abgearbeitet werden. Das gäben im Praxisalltag weder Zeit- noch finanzielle Budgets her. RDS-Spezialisten klagen immer wieder darüber, dass Patienten mit Listen angeblicher Nahrungsmittelallergien auftauchen, eine Diagnostik, für die teils viel privates Geld ausgegeben worden ist. Sie raten ausdrücklich von derartigen Tests ab, weil diese keine relevanten medizinischen Aussagen zulassen und keine therapeutischen Konsequenzen haben. Richtig ist, dass bestimmte Nahrungstrigger individuell RDS-Beschwerden auslösen können, diese gilt es zu ermitteln. Bei Verdacht auf eine echte Allergie ist die Konsultation eines Allergologen angezeigt. „Patienten bei ihrem tatsächlichen Leidensdruck abholen!“ „Entscheidend ist, dass Sie mit den Leuten sprechen!“, betonte auch Dr. Marcel Sandmann, niedergelassener Gastroenterologe in Herne. Was individuell unter Durchfall und unter Blähungen verstanden werde, sei sehr verschieden und müsse erfragt werden. Letztlich müsse man die Patienten bei ihrem tatsächlichen Leidensdruck abholen. Sandmann wies außerdem darauf hin, dass nach durchgemachter infektiöser Enteritis das Risiko für ein RDS um zehn Prozent erhöht sei. „Besonders gefährdet sind Frauen und Patienten mit psychiatrischen Grunderkrankungen.“ Sandmann sprach sich dafür aus, einmal die in der S3-Leitlinie empfohlene Diagnostik-Palette abzuarbeiten. Danach sollte eine repetitive Wiederholungsdiagnostik vermieden werden. Empfehlung der Redaktion Gastroenterologie – Unsere Themenseite Sie suchen geballtes Wissen aus dem Fachgebiet Gastroenterologie? Mit Updates zu Leitlinien, spannenden Kasuistiken, aktuellen Meldungen und mehr informiert diese Seite umfassend und strukturiert zum Thema. Auf dem Laufenden bleiben in Sachen CED, Pankreatitis, Reizdarm & Co! „Hauptziel ist immer die Symptomlinderung“, sagte Privatdozentin Dr. Viola Andresen, Israelitisches Krankenhaus Hamburg, eine der Erstautorinnen der Leitlinie. Mit Heilung kann nicht gerechnet werden. Andresen wies darauf hin, dass der RDS-Typ im Krankheitsverlauf wechseln könne. Daraus würden dann teils völlig gegensätzliche Therapien resultieren. Medikamentöse Behandlungen sind überwiegend symptomorientiert, hinzu kommen Symptom-unabhängige allgemeine Maßnahmen, die den Lebensstil, die Ernährung und die Psyche betreffen und komplementäre Verfahren einschließen können. Soll heißen: die RDS-Therapie soll stets multimodal erfolgen. Probieren und Kombinieren erfordern teils Geduld. Konkrete Hinweise sind in der Leitlinie zusammengestellt. Neue Therapieansätze, so Andresen, sind in der Entwicklung. Alle Beiträge vom DGIM-Kongress 2023 finden Sie hier im Dossier zur Veranstaltung. Quelle: Ärzte Zeitung

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