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Erschienen in: Prävention und Gesundheitsförderung 3/2023

Open Access 15.06.2022 | Affektive Störungen | Originalarbeit

Schwierige Überzeugungsarbeit

In welchen Gruppen sind die Vorbehalte gegen Pharmakotherapie und Psychotherapie zur Behandlung einer Depression besonders groß?

verfasst von: Dr. Andreas Czaplicki, Ulrich Hegerl

Erschienen in: Prävention und Gesundheitsförderung | Ausgabe 3/2023

Zusammenfassung

Hintergrund

Depressionen sind häufige, schwere und oft lebensbedrohliche Erkrankungen, bei denen es – trotz sehr guter Behandlungsmethoden – Versorgungslücken gibt. Hierzu tragen Vorbehalte gegen eine leitlinienkonforme pharmako- und/oder psychotherapeutische Behandlung bei. Ziel der Arbeit ist es zu ermitteln, in welchen soziodemographischen Bevölkerungssegmenten diese Vorbehalte besonders ausgeprägt sind.

Methodik

Die Untersuchung basiert auf Online-Befragungen der deutschen Bevölkerung aus den Jahren 2021, 2020 und 2019, darunter 1656 Personen (2021), 1775 Personen (2020) und 1729 Personen (2019) ohne Depressionserfahrungen. Mit einer CHAID-Analyse wurde geprüft, in welchen Bevölkerungssegmenten die Vorbehalte gegen eine leitliniengerechte Behandlung besonders groß sind.

Ergebnisse

Vorbehalte gegen Pharmakotherapie hatten insgesamt 69,8 % der Befragten ohne Depressionserfahrungen. Am größten waren die Vorbehalte unter jüngeren Personen (< 40 Jahre); hier lag der Anteil bei 74,2 %. Vorbehalte gegen Psychotherapie äußerten 31,4 % ohne Depressionserfahrungen; unter Frauen mit geringerer Schulbildung hatten 40,5 % Vorbehalte gegen eine Psychotherapie; unter Männern mit geringerer Schulbildung waren es 39,1 %. Vorbehalte gegen beide Behandlungsformen zeigten 27,7 %. Am größten waren die Vorbehalte unter Männern mit Schulbildung unterhalb der Hochschulreife (34,1 %). Die Ergebnisse sind signifikant (χ2-Test, p < 0,05).

Diskussion

Eine allgemeine Informationsstrategie wäre geeignet, Vorbehalten gegen Pharmakotherapie und Psychotherapie gleichermaßen zu verringern. Für eine spezifische Informationsstrategie müssen die Botschaften hinsichtlich Inhalt und Kommunikationskanälen so gestaltet werden, dass die jüngere Zielgruppe zuverlässig erreicht wird.
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Frühzeitig erkannt, ist eine Depression mit einer leitliniengerechten Behandlung in Form von Pharmakotherapie und/oder Psychotherapie gut behandelbar. Die Studie zeigt: Mehr als zwei Drittel der Menschen ohne Depressionserfahrungen haben Vorbehalte gegen eine Pharmakotherapie zur Behandlung einer depressiven Erkrankung, knapp ein Drittel gegen eine Psychotherapie und mehr als ein Viertel gegen beide Behandlungsformen gleichermaßen. In der Analyse wurden Schulbildung, Alter und Geschlecht als relevant identifiziert. Pharmakotherapie wird stärker von Jüngeren abgelehnt, Psychotherapie eher von Personen mit geringerer Schulbildung. Generelle Ablehnung gibt es vor allem unter Männern mit einer Schulbildung unterhalb der Hochschulreife.

Hintergrund und Fragestellung

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen [3]. Allein in Deutschland erkranken innerhalb eines Jahres ca. 5,3 Mio. Menschen an einer unipolaren Depression [5]. Die Auswirkungen einer Depression sind für Erkrankte gravierend. 20–60 % der Erkrankten unternehmen einen Suizidversuch, 40–70 % leiden an Suizidideen. 10–15 % der Betroffenen mit schwerer rezidivierender Depression versterben durch Suizid. Eine Depression ist damit die häufigste Ursache für Suizide [2].
Obwohl eine Depression mittels Pharmakotherapie und/oder Psychotherapie gut behandelbar ist [4], deuten Analysen von Versichertendaten darauf hin, dass eine nicht unerhebliche Zahl an Erkrankten keine leitlinienkonforme Behandlung erfährt [1]. Zu diesen therapeutischen Defizite tragen Vorbehalte gegen die Behandlung bei [7]. Darum ist es wichtig, jene Teile der Bevölkerung in den Blick zu nehmen, die bisher nicht an einer Depression erkrankt waren und Vorbehalte gegen eine leitliniengerechte Behandlung haben. Erkranken diese Personen an einer Depression, so kann der Weg in eine leitliniengerechte Behandlung erschwert werden. Sie können aber auch Einfluss auf depressiv Erkrankte in der Familie oder im Freundeskreis ausüben. Um Vorbehalten abzubauen und die Akzeptanz einer leitliniengerechten Behandlungen zu verbessern, sind genauerer Kenntnisse der Bevölkerungsgruppen notwendig, die einer leitlinienkonformen Behandlung kritisch gegenüberstehen.
In der vorliegenden Arbeit werden folgende Fragen untersucht:
  • Wie groß ist der Anteil von Befragten ohne Depressionserfahrung, die im Falle einer eigenen Erkrankung Vorbehalte gegen Pharmakotherapie, Psychotherapie oder beides haben?
  • Hat sich dieser Anteil in den Jahren von 2019 bis 2021 verändert?
  • In welchen Bevölkerungsgruppen sind die Vorbehalte gegen Pharmakotherapie, Psychotherapie oder beide leitliniengerechten Behandlungsformen besonders groß?

Studiendesign und Untersuchungsmethode

Datengrundlage

Grundlage der Analyse sind drei bevölkerungsrepräsentative Befragungen der deutschen Wohnbevölkerung in der Altersgruppe 18–69 in den Jahren 2021, 2020 und 2019. Befragt wurden 2021 5283 Personen (n = 2617 weiblich, 49,5 %), 2020 waren es 5178 Personen (n = 2566 weiblich, 49,6 %), 2019 waren es 5000 Personen (n = 2476 weiblich, 49,5 %). Davon gaben 2021 1658 Befragte (31,4 %) an, keine Depressionserfahrungen zu haben, d. h. nicht selbst erkrankt gewesen zu sein, im familiären Umfeld oder dem engeren Freundeskreis keine Personen mit Depression zu haben und auch keine Personen mit Depressionen zu betreuen oder zu behandeln. Im Jahr 2020 waren es 1775 Befragte (34,3 %); 2019 waren es 1729 Befragte (34,6 %).
Die Befragung wurde durch das zertifizierte Befragungsunternehmen (ISO 26362) Respondi AG im Oktober 2021, im Juni/Juli 2020 und im Juli 2019 online durchgeführt. Es handelt sich um eine mehrfach geschichtete Quotenauswahl anhand der verschränkten Merkmale Geschlecht, Alter, Bundesland/Bundesländergruppe entsprechend der aktuellen Bevölkerungsfortschreibungen des Statistischen Bundesamts. Alle Teilnehmenden waren im Access Panel registriert und haben ihre Einwilligungserklärung zur Teilnahme gegeben.

Statistische Analyse

Den Befragten ohne Depressionserfahrung wurde folgende Frage gestellt: „Sie haben angegeben, dass Sie selbst noch nie an einer Depression erkrankt sind. Was meinen Sie: Falls Sie irgendwann im Leben an einer Depression erkranken, welche der folgenden Therapiemöglichkeiten würden Sie in Anspruch nehmen?“. Vorgegeben wurden folgende Möglichkeiten: Selbsthilfegruppe (Austausch mit anderen Betroffenen), Online-Angebote (Selbstmanagementprogramme im Internet, am Computer oder als Smartphone-App), Alternative Behandlungsangebote, keine der genannten Therapiemöglichkeiten. Als Akzeptanz einer leitliniengerechten Behandlung wurde gewertet, wenn die Befragten die Antwortmöglichkeiten „Pharmakotherapie (Einnahme von Medikamenten gegen Depression/Antidepressiva)“ bzw. „Psychotherapie (Gespräche mit Psychotherapeuten)“ angekreuzt hatten. Wurde eine Behandlungsform nicht angekreuzt, wurde dies als Vorbehalt gewertet. Wurden weder Pharmakotherapie noch Psychotherapie angegeben, so wurde das als genereller Vorbehalt gegen eine leitliniengerechte Behandlung gewertet.
Zur Identifikation der Bevölkerungsgruppen, in denen die Vorbehalte gegen eine leitliniengerechte Behandlung besonders groß sind, wurde mit den Daten des Jahres 2021 eine CHAID-Analyse („chi-square automatic interaction detectors“) [6] durchgeführt. Hierbei prüft ein Algorithmus, ausgehend von einer abhängigen Variablen, für eine Vielzahl unabhängiger Variablen mit Hilfe von χ2-Tests, wie stark die tatsächliche Zellenverteilung von der zu erwartenden Zellenverteilung abweicht. Die Variable mit dem höchsten χ2-Wert führt zur ersten Verästelung in einem Baumdiagramm mit zwei oder mehreren Segmenten, sog. Knoten. Danach wird für jeden Knoten weiter nach der nächsten unabhängigen Variablen mit dem höchstem χ2-Wert gesucht. Das Verfahren wird so lange fortgeführt, bis keine signifikanten χ2-Tests mehr auftreten oder eine zuvor definierte Mindestgröße für die Knoten erreicht wurde. Abhängig vom Datenniveau fasst der Algorithmus dabei Merkmalsausprägungen der Variablen selbständig zusammen, wenn dies zu einem höheren signifikanten χ2-Wert führt. Das Signifikanzniveau wurde mit 0,05 angesetzt. Die Zahl der Knoten wurde nicht limitiert, die Mindestfallzahl für die Knoten wurde mit n = 100 vorgegeben. Die Datenauswertung erfolgte mit SPSS Version 28 (IBM Corp., Armonk, NY, USA).
In die Analyse gingen folgende unabhängige Variablen ein: Geschlecht, Altersgruppe (18–29 Jahre, 30–39 Jahre, 40–49 Jahre, 50–59 Jahre, 60–69 Jahre), regionale Zuordnung des Wohnorts anhand des Bundeslands (Ostdeutschland, Westdeutschland), Art des Wohnorts (in oder in unmittelbarer Nähe einer Großstadt, in oder in unmittelbarer Nähe einer Kleinstadt, in ländlichem Gebiet), Familienstand (verheiratet, eingetragene Lebenspartnerschaft, ledig mit Partner im Haushalt, ledig ohne Partner im Haushalt, geschieden/verwitwet mit Partner im Haushalt, geschieden/verwitwet ohne Partner im Haushalt), Schulbildung (Volks‑/Hauptschule, Weiterführende Schule/Mittel‑, Real‑, Handelsschule, Abitur/[Fach-] Hochschulreife, [noch] kein allgemeiner Schulabschluss), Haushaltsgröße (1, 2, 3, 4, 5 und mehr Personen), Kinder unter 14 Jahren im Haushalt (ja, nein).

Ergebnisse

Vorbehalte gegen eine leitlinienkonforme Behandlung im Zeitverlauf

Im Jahr 2021 gaben von den Befragten ohne Depressionserfahrungen 69,7 % (n = 1155) an, keine Pharmakotherapie in Anspruch nehmen zu wollen, wenn sie selbst an einer Depression erkranken sollten. 2020 lag der Anteil bei 70,8 % (n = 1256), 2019 bei 72,0 % (n = 1245); die Unterschiede sind nicht signifikant (p > 0,05).
Für Psychotherapie lagen die entsprechenden Zahlen deutlich niedriger: Vorbehalte hatten im Jahr 2021 31,4 % (n = 521) der Befragten ohne Depressionserfahrung. 2020 waren es 33,4 % (n = 593), 2019 lag der Anteil bei 29,7 % (n = 514). Diese Unterschiede sind nicht signifikant (p > 0,05).
Der Personenkreis ohne Depressionserfahrung, der einer leitlinienkonformen Behandlung generell ablehnend gegenüber steht und im Fall einer eigenen Depressionserkrankung weder eine Pharmakotherapie noch eine Psychotherapie in Anspruch nehmen will, betrug im Jahr 2021 27,7 % (n = 460). 2020 lag der Anteil bei 29,2 % (n = 519), 2019 waren es 24,6 % (n = 425). Die Unterschiede sind signifikant (p < 0,05), zeigen aber im Zeitverlauf keinen klaren Trend (Tab. 1). Die weiteren Analysen basieren auf den Daten der aktuellen Befragung 2021.
Tab. 1
Vorbehalte gegen Pharmakotherapie und Psychotherapie zur Behandlung einer potenziellen Depression
 
2021
(n = 1658)
2020
(n = 1775)
2019
(n = 1729)
 
Pharmakotherapie
Keine Vorbehalte
30,3 %
(n = 503)
29,2 %
(n = 519)
28,0 %
(n = 484)
χ2 = 1,9998, d.f. = 2, p = 0,367
Vorbehalte
69,7 %
(n = 1155)
70,8 %
(n = 1256)
72,0 %
(n = 1245)
Psychotherapie
Keine Vorbehalte
68,6 %
(n = 1137)
66,6 %
(n = 1182)
70,3 %
(n = 1215)
χ2 = 5,514, d.f. = 2, p = 0,0634
Vorbehalte
31,4 %
(n = 521)
33,4 %
(n = 593)
29,7 %
(n = 514)
Leitlinienkonforme Behandlung (Pharmakotherapie und Psychotherapie)
Keine Vorbehaltea
72,3 %
(n = 1198)
70,8 %
(n = 1256)
75,4 %
(n = 1304)
χ2 = 9,6687, d.f. = 2, p = 0,008
Vorbehalteb
27,7 %
(n = 460)
29,2 %
(n = 519)
24,6 %
(n = 425)
Basis: Befragte ohne eigene Depressionserfahrungen
Frage: Sie haben angegeben, dass Sie selbst noch nie an einer Depression erkrankt sind. Was meinen Sie: Falls Sie irgendwann im Leben an einer Depression erkranken, welche der folgenden Therapiemöglichkeiten würden Sie in Anspruch nehmen? (Nennung durch Ankreuzen)
aBefragte würden mindestens eine Behandlungsform (Pharmakotherapie bzw. Psychotherapie) in Anspruch nehmen
bBefragte würden keine der beiden Behandlungsformen (Pharmakotherapie, Psychotherapie) in Anspruch nehmen

Identifizierung der relevanten Bevölkerungsgruppen

Vorbehalte gegen eine Pharmakotherapie

Unter allen Befragten ohne Depressionserfahrungen äußerten 69,7 % Vorbehalte gegen eine Pharmakotherapie (n = 1155; Knoten 0). Die CHAID-Analyse zeigt, dass die Vorbehalte gegen eine Pharmakotherapie mit dem Alter zusammenhängen. Der Algorithmus ermittelt die Altersgrenze, die am stärksten differenziert, bei 40 Jahren (Abb. 1). Am größten sind die Vorbehalte gegen eine Pharmakotherapie unter Personen unter 40 Jahren (74,2 %; n = 419; Knoten 1). Demgegenüber sind Vorbehalte gegen eine Pharmakotherapie unter Personen im Alter von 40 Jahren und darüber deutlich geringer (67,3 %; n = 736; Knoten 2).

Vorbehalte gegen eine Psychotherapie

Unter allen Befragten ohne Depressionserfahrungen äußerten 31,4 % Vorbehalte gegen eine Psychotherapie (n = 521; Knoten 0). Die CHAID-Analyse identifiziert das Geschlecht als wichtigstes Merkmal zur Differenzierung: 34,3 % der Männer zeigen demnach Vorbehalte gegen eine Psychotherapie; unter Frauen liegt der Anteil bei 27,1 %. Das zweite Merkmal von Relevanz ist die Schulbildung, so dass das in Kombination mit dem Geschlecht vier Gruppen unterschieden werden können (Abb. 2). Am größten sind die Vorbehalte gegen eine psychotherapeutische Behandlung unter Frauen mit geringer formaler Bildung. In dieser Gruppe haben 40,5 % Vorbehalte gegen eine Psychotherapie (n = 34; Knoten 4). Unter Männern mit einer Schulbildung unterhalb der Hochschulreife äußern 39,1 % (n = 188; Knoten 6) Vorbehalte. Geringere Vorbehalte gegen eine Psychotherapie haben Frauen mit einer Bildung oberhalb des Volksschul‑/Hauptschulabschlusses (25,1 %; n = 145; Knoten 3) und Männer mit Hochschulreife (29,8 %; n = 154; Knoten 5).

Vorbehalte gegen eine leitlinienkonforme Behandlung

Unter allen Befragten ohne Depressionserfahrungen äußerten 27,7 % Vorbehalte sowohl gegen Pharmakotherapie als auch gegen eine Psychotherapie (n = 460; Knoten 0). Die CHAID-Analyse identifiziert Schulbildung und Geschlecht als die relevanten Merkmale und unterteilt die Befragten in drei Gruppen (Abb. 3). Am größten sind die Vorbehalte gegen eine leitlinienkonforme Behandlung unter Männern mit einem Schulabschluss unterhalb der Hochschulreife (34,1 %, n = 164; Knoten 4). Bei Frauen in der gleichen Bildungsstufe liegt der Anteil auf dem Niveau der Gesamtheit und beträgt 27,5 % (n = 99; Knoten 3). Unter Befragten mit Hochschulreife sind Vorbehalte gegen eine leitlinienkonforme Behandlung deutlich geringer (24,1 %, n = 197; Knoten 1).

Diskussion

Die Studie zeigt auf der Grundlage einer großen Bevölkerungsstichprob, welche Vorbehalte in der Bevölkerung gegen Pharmakotherapie und Psychotherapie bei der Depressionsbehandlung bestehen. Sie identifiziert die besonders kritischen Bevölkerungsgruppen und liefert so Ansatzpunkte für die Entwicklung entsprechender Kommunikationsstrategien.
Einschränkend sei darauf hingewiesen, dass in der Studie die Vorbehalte gegen Pharmakotherapie und Psychotherapie in den Fokus genommen werden, die ab einer mittelgradigen Depression einer leitliniengerechter Versorgung entsprechen. Die festgestellten Vorbehalte in der Bevölkerung sind daher für Fälle einer leichten Depression vermutlich weniger relevant, wo niederschwellige Interventionen, aktives Abwarten oder eine alleinige Psychotherapie als leitliniengerecht einzustufen sind. Die Studie liefert zudem keine Hinweise, was die tiefere Ursache der feststellbaren Vorbehalte sind und wie es dazu kommt. Erkenntnisse hierüber wären für die Kommunikation mit kritischen Zielgruppen wertvoll.
Bei der Interpretation der Daten ist außerdem zu bedenken, dass, dass die Akzeptanz von Pharmakotherapie und Psychotherapie für die Behandlung einer Depression hypothetisch ermittelt wurde. („Was wäre wenn?“). Die meisten Befragten ohne Depressionserfahrungen haben sich vermutlich mit der Erkrankung Depression und ihrer Behandlung bisher nicht intensiver beschäftigt. Es ist davon auszugehen, dass es nach Aufklärung und bei einem besseren Wissenstand die Ablehnungsrate leitlinienkonformen Behandlung geringer sein dürfte.
Relevante Punkte könnten beispielsweise sein, dass anhand der gewählte Methode keine Hinweise über das Zustandekommen der Vorbehalte möglich sind und hier weitere Forschung notwendig ist, um angemessene Kommunikationsstrategien zum Abbau der Vorbehalte zu entwickelten.

Fazit für die Praxis

  • Auf der Grundlage der dargestellten Ergebnisse können Erfolg versprechende Kommunikationsstrategien entwickelt werden, die folgende Zielrichtung haben sollten.
  • Eine allgemeine Kommunikationsstrategie sollte darauf abzielen, grundlegende Vorbehalte gegen eine leitliniengerechte Behandlung abzubauen. Pharmakotherapie und Psychotherapie könnten hiervon gleichermaßen profitieren. Eine zielgruppenspezifische Ansprache solle die Merkmale Alter, Geschlecht und Bildungsstand berücksichtigen.
  • Um die besonders großen Vorbehalte gegen die Pharmakotherapie abzubauen, sind vor allem jüngere Zielgruppen wichtig. Die Kommunikation über Stellenwert und Nutzen der Pharmakotherapie im Rahmen der Depressionsbehandlung muss über Kanäle erfolgen, mit denen diese Zielgruppe gut erreicht werden kann (z. B. soziale Medien).
  • Die Kommunikation ist inhaltlich auf die Zielgruppe zuzuschneiden und muss deren Lebenswelt wiederspiegeln (z. B. für die jüngere Zielgruppe durch junge Betroffene als Protagonisten, die über ihre Erfahrungen berichten).

Förderung

Die Studie wurde gefördert von der Deutsche Bahn Stiftung gGmbH.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

A. Czaplicki und U. Hegerl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Die Autoren erklären, dass die durchgeführte Forschung in Abwesenheit jeglicher kommerzieller oder finanzieller Beziehungen durchgeführt wurde, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten.
Die Ethikkommission der Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich Medizin, der das Untersuchungsdesign vorlegt wurde, teilte am 21. Juni 2021 mit, dass hierfür kein Ethikvotum notwendig ist. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine anonyme, freiwillige Online-Befragung, bei der keine Rückschlüsse über die Befragten möglich sind.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
2.
Zurück zum Zitat Bertolote JM, Fleischmann A, De Leo D, Wasserman D (2004) Psychiatric diagnoses and suicide: revisiting the evidence. Crisis 25:147–155CrossRefPubMed Bertolote JM, Fleischmann A, De Leo D, Wasserman D (2004) Psychiatric diagnoses and suicide: revisiting the evidence. Crisis 25:147–155CrossRefPubMed
4.
Zurück zum Zitat Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2015) S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression. https://doi.org/10.6101/AZQ/000364 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2015) S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression. https://​doi.​org/​10.​6101/​AZQ/​000364
6.
Zurück zum Zitat Sonquist JA, Morgan JN (1964) The detection of interaction effects. Survey Research Center, Institute for Social Research. University of Michigan, Ann Arbor Sonquist JA, Morgan JN (1964) The detection of interaction effects. Survey Research Center, Institute for Social Research. University of Michigan, Ann Arbor
Metadaten
Titel
Schwierige Überzeugungsarbeit
In welchen Gruppen sind die Vorbehalte gegen Pharmakotherapie und Psychotherapie zur Behandlung einer Depression besonders groß?
verfasst von
Dr. Andreas Czaplicki
Ulrich Hegerl
Publikationsdatum
15.06.2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Prävention und Gesundheitsförderung / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 1861-6755
Elektronische ISSN: 1861-6763
DOI
https://doi.org/10.1007/s11553-022-00957-x

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